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Channel: Kommentare zu: Hifi-Voodoo auf der Buchmesse
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Von: Jürgen Bromant

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Bei Hifi-Fetischisten sind wirklich so einige unhaltbare Glaubenssätze mittlerweile breiter Konsens.
Noch viel schlimmer sieht es bei den Musikern selbst, vor allem bei den Gitarristen (zu denen ich u.a. auch gehöre), aus.
Jedes kleinste Detail, jedes Schräubchen, jede minimale Änderung an den Tonabnehmern einer elektrischen Gitarre ist, im Glauben vieler Musiker, absolut klangentscheidend.
Mittlerweile gibt es sogar E-Gitarren aus “Mondholz” oder es wird eine sündhaft teure “Cyro-Behandlung” angeboten, welche die Gitarre durch kurzfristiges Schockfrosten klanglich aufwerten soll – Kostenpunkt ab 500€ aufwärts.
Vom unerschütterlichen Glauben daran, dass eine teurere Gitarre unweigerlich besser klingt, mal abgesehen.
Das führt dazu, dass ein gewisser Snobismus in der Musikerszene entsteht und einige Gitarristen über “Billigklampfen” (die nicht mindestens ein paar tausend Euro kosten) blasiert die Nase rümpfen.
Da ich mich nebenher autodidaktisch seit vielen Jahren mit Musikproduktion und Audio-Engineering beschäftige, fallen mir die unglaublich subjektiven und meistens unhaltbaren Theorien zur angeblichen Klangverbesserung besonders stark ins Auge.
Vor allem wird der Fehler gemacht, das menschliche Hörvermögen maßlos zu überschätzen. Selbst wenn, ich z.B. ein leicht verändertes Schwingverhalten eines Instrumentenkorpus unter Laborbedingungen nachweisen kann, heißt das noch lange nicht, dass das menschliche Ohr dieses auch wahrnehmen kann.
Bei den Stradivaris wird beispielsweise, meiner Meinung nach, der historische Wert mit dem klanglichen Wert verwechselt.
Bei E-Gitarren ist es nicht anders. Gerade in diesem Bereich ist in den letzten 15 Jahren eine unheimlich große Sammlergemeinde entstanden. Oft sind es sogar musikalische Laien, die sich ein ‘vintage’ Instrument aus den 50er oder 60er Jahren als Investition zulegen, selber aber gar nicht spielen. Die Preise können dabei leicht in schwindelnde Höhen geraten. Für den Preis einer gut erhaltenen 1958er Fender Stratocaster könnte man sich beispielsweise eine luxoriöse Eigentumswohnung leisten.
Die großen Hersteller von E-Gitarren haben den Trend schon lange erkannt und bieten künstlich gealterte, aber fabrikneue Instrumente an, denen auch klangliche Vorteile, durch die künstlich erzeugten Gebrauchsspuren, angedichtet werden.
So lassen beispielsweise Risse und Sprünge im Lack, das Instrument angeblich “offener” klingen.
Es ist mittlerweile normal, dass jemand für eine Gitarre 5000€ und mehr bezahlt, die aussieht, als hätte sie ein schon langes Bühnenleben hinter sich, aber in Wahrheit flammneu ist.
Als Fazit würde ich sagen, je weniger die Thematik analytisch greifbar ist und eher auf subjektives Empfinden abzielt, was auf akustische Eigenschaften zweifelsohne zutrifft, desto mehr sind dem Aberglauben Tür, Tor und auch der Geldbeutel geöffnet.


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